Ohne Zweifel: Julia Mattera will uns mit ihrem Roman „Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach“ eine Botschaft vermitteln. Und das tut sie unablässig, penetrant, spätestens nach jeder zweiten Seite. So lässt sie eine Romanfigur, Maggie, formulieren: „Ich mache Reportagen über neue, umweltbewusste Lebensweisen, die letztlich nicht nur der Erde, sondern auch uns Menschen zugutekommen.“ Gegenstand ihrer neuesten Reportage ist unser Romanheld Robert. Robert ist ein begnadeter Koch, der sein Gemüse selbst zieht und das so hervorragend wächst und schmeckt, weil er mit ihm spricht. Und nicht nur das: Die Möhren verstehen ihn und reagieren auf ihn: „Guten Abend, meine Schätzlein“, verzeiht mir, dass ich so spät komme.“ Die Möhren erleben in seinem warmen Atem. Sie wirken ungeduldig. (…) Er beugt sich ganz nah zu ihnen und murmelt ein paar aufmerksame Worte in ihre Ohren. Die Möhren durchfährt ein angenehmer Schauer.“ Fragt sich, wie Robert es über sich bringen kann, diese wunderbaren Geschöpfe aus dem Boden zu reißen und sie zu verkochen. Aber das ist kein Problem. Wenn die Möhren so gut behandelt werden, dann ist es für sie der Lebenssinn, in einem Kochtopf zu enden. Und immerhin hat Robert jeder einzelnen Möhre einen Namen gegeben beim Ausreißen. Fragt man sich als Leser: Geht‘s noch?
Na gut, aber wie sieht es mit den Mitmenschen aus? Da hat Robert ein gewaltiges Problem: Er hatte vor 42 Jahren ein traumatisches Erlebnis, ein Unfall, bei dem seine Eltern starben. Vor allem den Tod seiner Mutter hat er nie verwunden und sich von der Welt und allen Mitmenschen zurückgezogen. Er lebt isoliert in seinem Gemüsegarten und kennt nicht einmal den Elsaß, seine Heimat.
Gott sei Dank gibt es aber sechs Laientherapeuten, die sich nach diesen 42 Jahren des Problems annehmen und es natürlich, das kann man verraten, ohne zu spoilern, lösen.
Für mich spannender war die Frage, ob Robert die Handlung überhaupt überlebt oder nicht vielmehr an Herzversagen stirbt. Er scheint nämlich ein ausgesprochenes Problem mit dem Blutdruck zu haben: „Robert wird puterrot“, „Behutsam richtet er sich auf, sein Atem geht schnell, das Herz rast“, „Das empfindsame Herz von Robert krampft sich angesichts dieses Vergleichs zusammen“, „Robert wird rot“, „Sein Herz schlug bis zum Hals“, „Sein Herz gerät erneut in Wallung und macht sich durch lautes Pochen bemerkbar“, „Sein Herz war nicht mehr im Zaum zu halten“, „Roberts Herz gerät so aus dem Takt, dass ihm die Luft wegbleibt“, „Robert steigt das Blut zu Kopfe“, „Roberts Wangen glühen, es fühlt sich an, als würde er von Kopf bis Fuß erröten“, „Roberts Wangen sind jetzt krebsrot“, „Seine Brust schmerzt, so wild schlägt sein Herz“, „Roberts Wangen färben sich hochrot“, „Die warme Glut rötet seine Wangen“, „Roberts Wangen färben sich rot“, „Roberts Herz beginnt schneller zu schlagen“, „Sein Herz rutscht ihm vollends in die Hose“, „Verzaubert von ihren Worten, schmilzt Roberts einsames Herz dahin“, „Robert ist bleich. Er möchte am liebsten schreien, ein solcher Schmerz tobt in seiner Brust“, „Sein Herz schlägt Bum Bum Bum“…
Wer jetzt noch nicht von der Sprachgewalt der Autorin überzeugt ist, lese folgendes Liebesgeständnis: „Noch nie hat er solch intensive Gefühle verspürt, noch nie ein so zärtliches und aufrichtiges Einverständnis mit einer Person des anderen Geschlechts empfunden.“
In einem Interview sagte die Fernsehmoderatorin und Literaturkritikerin Christine Westermann, dass sie Literatur nicht mag, die eine Anleitung zum Lebensglück versprechen. Seit der Lektüre von „Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach“ verstehe ich sie.