"Heartbreaker" war meine Strategie, mit meinem Stress in der Prüfungsphase umzugehen und mich abzulenken. Das hat im Endeffekt auch gut geklappt, denn der Roman macht gute Laune - wenn man sich nicht gerade über die stereotype Geschichte oder die überzogene Erotik aufregt...
Das Cover passt mit der Andeutung eines Penthouses mit glänzendem Boden, Glasfront, Stahlträgern, dem Ausblick auf die Skyline von Harbor City und der Rückansicht eines Mannes im Anzug sehr gut zur Geschichte, verrät aber nicht Zuviel und lässt der Fantasie Freiheiten. Auch der Titel ist prägnant, wenn auch nicht mit besonders hohem Alleinstellungswert gewählt, wobei ich mich auch hier mal wieder fragen musste, warum man als Verlag nicht einfach den englischen Originaltitel übernehmen kann, wenn man sich schon für einen Titel in der englischen Sprache entscheidet. "The Negotiator" - wie der Roman im Original heißt, hätte für mich nochmal eine ganze Spur besser gepasst. Ansonsten kann man noch bemängeln, dass nicht gekennzeichnet ist, ab wann aus Sawyers und wann aus Clovers Perspektive (personaler Er-Erzähler) erzählt wird. An den allermeisten Stellen kann man sich es nach einigen Sätze erschließen, da aber kaum Szenen auftreten, in denen sie nicht zusammen auftauchen und die Perspektive auch gern mal mitten in der Szene wechselt, kann man schon mal verwirrt werden.
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Erste Sätze: "Ich werde dich umbringen, Hudson. Langsam. Mit einem Löffel."
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Schon beim ersten Satz hatte ich ein Grinsen im Gesicht. Wir lernen den Unternehmer und Millionär Sawyer Carlyle kennen, der wütend auf sein Bruder ist, weil der sich mal wieder einen Scherz erlaubt und eine Stelle als persönlicher Puffer ausgeschrieben hat, ohne damit gerechnet zu haben, dass sich tatsächlich auch jemand auf diese Stelle bewerben wird.
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„Oft mürrische, arbeitssüchtige und anspruchsvolle Führungskraft sucht kurzfristig »Puffer« für lästige äußere Ablenkungen alias Menschen. Aufdringliche Freigeister mit übertriebenen Marotten oder genereller Überempfindlichkeit werden nicht eingestellt. Bewerber sollten rund um die Uhr verfügbar sein. Gehalt verhandelbar. Diskretion obligatorisch.“
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Als wäre dieser öffentliche Streich gegen ihn schon genug, sitzt sein Empfangsbereich nun auch noch voll mit Bewerbern auf eine Stelle, die es gar nicht gibt. Als eine der Bewerberinnen - eine junge Abenteurerin - in einer zufälligen Begegnung Sawyers schwierige, kuppelsüchtige Diven-Mutter zur Schnecke macht und tatsächlich zum Rückzug bewegt, muss er jedoch neidlos anerkennen dass diese junge Frau sein Leben tatsächlich einfacher machen würde und er stellt sie ein. Auch für Clover ist das überraschende Jobangebot ein riesiger Gewinn. Mit den 15000 Euro, die sie für sechs Wochen Anstellung erhält, will sie sich ihr nächstes Abenteuer in Australien finanzieren. Dass sich aus dieser Win-Win-Situation mehr entwickeln würde, war keinem von ihnen klar doch als ihnen die Liebe in die Quere kommt, müssen sie ihren Lebensplan noch einmal überdenken und herausfinden, was sie wirklich mit ihrer Zeit anfangen wollen...
Was nach einer echt netten - wenn auch absolut nicht neuen - Idee klingt, stellt sich bald als sehr wenig Inhalt für die knapp 300 Seiten heraus. Denn wenn man die körperliche Anziehung, die tausend Sex-Szenen, ein paar kurze Auftritte auf sozialen Events und spritzige Dialoge abzieht, bleibt nicht mehr viel übrig. Dazu kommt, dass viele Stellen im Besten Fall unauthentisch, eher unrealistisch erscheinen. Schon das Grundkonstrukt steht meiner Meinung nach auf wackligen Beinen: ich meine als ob jemand der bei ihm zuhause wohnt und gemeinsamen Aktivitäten nachgeht, um eine angebliche Verlobung aufrechtzuerhalten, weniger von der Arbeit und einem wichtigen Deal ablenkt als die Kuppelversuche seiner Mutter? Außerdem erfährt man dafür dass Sawyer seine Arbeit so wichtig ist basically Null über das, was er eigentlich macht und erlebt ihn stattdessen immer wieder beim Sportmachen, Herumlungern oder in versauten Fantasien schwelgen. Was sehr unterhaltsam, rasant und heiß klingt und auch beginnt, wird also leider bald zu einem einzigen Klischee und wenn man die vielen Erotikszenen (und mit vielen meine ich wirklich jede zweite Szene, augenroll) abzieht, bleibt nur heiße Luft.
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"Das Leben tut, was es will, es richtet sich selten danach, wie du es dir vorstellst", sagte ihre Mutter. "Außerdem haben nicht alle Abenteuer etwas mit dem Retten des Regenwaldes zu tun. Einige von ihnen beinhalten, dass du dein Herz riskierst - und diese Art von Abenteuer ist genauso wichtig."
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Wenn man sich jedoch nicht an einem klischeehaften Aufbau, dünner Handlung, überzogener Erotik oder einigen logischen Problemen stört - also ein sehr anspruchsloser Fan des Genres (oder wie in meinem Fall: sehr gestresst ist und nach Ablenkung sucht) kann man aber durchaus Spaß haben. Dafür sorgt in erster Linie Avery Flynns witziger Schreibstil mit ihrer teilweise absurden Szenengestaltung, den schlagfertigen Dialogen und der greifbaren (wenn auch stark sexualisierten) Anziehungskraft zwischen den Protagonisten. An zweiter Stelle sorgt die weibliche Protagonistin Clover alias Clover alias Jane Lee dafür, dass man zwischen dem ganzen Augenrollen auch immer wieder grinsen muss. Die spritzige Abenteurerin ist nicht auf den Mund gefallen, flucht gerne in fremden Sprachen, trägt ausgefallene Kleider, liebt Upcycling-Marathons und erscheint mit ihrer selbstbewussten und selbstbestimmten Art sehr sympathisch. Gut gefallen hat mir auch dass sie aufgrund ihrer durch die taffe Maske immer wieder durchscheinende Orientierungslosigkeit, mehr Tiefe hat als alle anderen Protagonisten zusammen.
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"Ich liebe es, dass du in anderen Sprachen fluchst. Ich liebe es, dass du die erste Person bist, die ich morgens sehen will, und abends de letzte, die ich berühren will. Ich liebe es, dass du mich ausmanövriert hast, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Jedes Mal.
Ich liebe dich, Clover Lee."
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Leider verwandelt aber auch sie sich in der zweiten Hälfte in ein laufendes Klischee. Die sonst so reflektierte, unabhängige Frau stürzt in eine Lebenskrise als sie denkt, er liebe sie nicht - sie wird zu einem heulenden, zickenden Etwas von dem man nur dachte: wer bist du und was hast du mit Clover gemacht. Trotzdem hat sie mir um Welten besser gefallen als Sawyer, dessen einziger Pluspunkt sein Faible für Liebeskomödien ist. Ansonsten hatte ich für den typischen heißer CEO mit übersteigertem Ego, keinem Blick für Details, Blindheit gegenüber Clovers Gefühlen und seiner nervigen Dauergeilheit nicht viel übrig. Wie in diesem Genre so häufig scheint er eine reine Projektionsfigur für weibliche Fantasien zu sein lässt aber vermissen, was ich an Protagonisten wirklich mag: Charakterentwicklung! Trotz dass beide Protagonisten abwechselnd erzählen, fehlte mir definitiv die Nähe zu Sawyer, sodass ich ihn leider bald nur noch als Pseudocharakter wahrnahm.
Als wir dann nach viel vorhersehbarem Hin und Her gerade die obligatorische Prä-Happy-End-Krise überstanden hatten und ich dachte, wir könnten jetzt endlich noch ein bisschen emotionale Entwicklung abseits von Drama oder Sex bekommen - hörte das Buch einfach auf und die Restseiten in meiner Hand, die mir noch Hoffnung geschenkt hatten entpuppten sich als 50 (!) Seiten an Leseproben für die beiden folgenden Bände. Als dann auf den plötzlichen Schluss auch noch ein echt übertriebenes Happy End folgte, welches mir mit der "plötzliche Heirat/ Kinder/Liebe des Lebens"-Nummer vor dem Hintergrund, dass die Charaktere sich 300 Seiten entweder angegiftet haben oder Sex hatten, ein wenig überzogen erschien. So ließ mich das Buch ein wenig unentschlossen zurück, ob ich die weiteren Bände auch lesen soll.
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Fazit:*
Ziemlich viele Klischees, eine sehr dünne Handlung, kaum emotionale Entwicklung, viel zu viel Erotik und ein stereotyper, teilweise unsympathischer männlicher Protagonist - diese Geschichte wird leider nur sehr anspruchslose Fans des Genres überzeugen.