London 1862:
Der hochdekorierte Kriegsheld Jasper Blunt, genießt, trotz seiner Verdienste im Krieg, nicht gerade den besten Ruf in der Gesellschaft. Zu erschreckend waren die Berichte über sein überaus hartes Durchgreifen während der Kriegswirren. Zudem munkelt man im ton, dass er mit seiner Geliebten drei uneheliche Kinder zeugte, die er nun, auf dem Lande, in einem windumtosten Herrenhaus erziehen lässt.
Die alles entscheidende Schlacht zwang aber auch Jasper beinahe in die Knie. Schwer verletzt wurde er im Lazarett gesund gepflegt und doch weist sein Gesicht nun eine Narbe auf, die seinem Antlitz eine düstere Aura verleiht.
Zunächst glaubt Jasper also, als ihm die reiche Erbin Juliy Wychwood vorgestellt wird, dass sie wegen seines Äußeren in Aufruhr geraten ist und ihre zarte Natur seine Versehrtheit nicht ertragen kann.
Doch Julia überrascht ihn, bei ihrer zweiten Begegnung im Park. Ausgerechnet dort begegnet er ihr auf einem Vollblüter, den sie perfekt beherrscht und ihre Schüchternheit ist beinahe wie weggeblasen.
Julia interessiert Jasper, doch seine Ehrlichkeit lässt es nicht zu, dass er sie wegen seiner Motive im Unklaren lassen möchte. Er sagt ihr ganz klar, dass er eine reiche Erbin ehelichen muss, da sein Anwesen baufällig ist und er für seine Kinder sorgen muss.
Julia gefällt Jaspers Ehrlichkeit. Zudem ist sie eine begeisterte Leserin, die wenig für Gesellschaften und Bälle übrig hat, sondern lieber in aller Abgeschiedenheit ein gutes Buch liest. Und Jasper teilt ihr Interesse an guten Büchern.
Leider haben es sich Julias Eltern in den Kopf gesetzt, ihre einzige Tochter mit einem anderen Mann zu verheiraten. Der Auserwählte soll jemand sein, der in unmittelbarer Nähe lebt, denn Julia soll ihre kränklichen Eltern auch nach ihrer Heirat umsorgen. Als Julia erfährt, wer der Auserwählte ist, reagiert sie mit Bestürzung, denn der Mann könnte vom Alter her ihr Vater sein.
Sie vertraut sich in ihrer Verzweiflung Jasper an und hofft, dass Jasper sie aus der unmöglichen Situation retten wird. Doch wird er ihr tatsächlich beistehen; ein offensichtlicher Glücksritter und Mitgiftjäger?
„Die Wahrheit Deiner Worte“, der zweite Teil der „Belles of London“ Reihe, erzählt die Geschichte von Freundinnen, die während ihrer Saison in London durch dick und dünn gehen. Während im ersten Band „Die Nähe, die uns trennt“, eine von Julias Freundinnen den Mann fürs Leben findet, ist es diesmal Julia selbst, die im Fokus steht.
Julia ist eine sympathische junge Frau, die behütet aber sehr einsam aufwuchs. Ihre Eltern sind kränkliche, egoistische Menschen, die sie zwar stets finanziell unterstützen, doch keinerlei menschliche Wärme für ihre Tochter übrig haben.
Und so entdeckte Julia irgendwann die Welt der Romane für sich. Man kann sich gut in die Romanheldin hineinversetzen und ihr Vergnügen, dass sie beim Lesen empfindet, nachvollziehen. In der Gesellschaft ist sie eher unsicher und ist lieber nur mit ihren Freundinnen zusammen oder unternimmt Ausritte mit ihrem Pferd.
Jasper ist dagegen ein Mann mit vielen Geheimnissen. Und ein wandelnder Widerspruch auf zwei Beinen. Einerseits gilt er, wegen seiner Taten im Krieg als grausam, andererseits gibt er sich in Julias Nähe aufmerksam, empathisch und belesen.
Die Hin und Hergerissenheit Julias, ist also ebenso nachvollziehbar. Vor allem, wenn man die gemeinsamen Dialoge des Heldenpaars liest, die wunderbar einfühlsam und mit viel Tiefgang geschrieben sind.
Ich lese ja schon über mehrere Jahrzehnte historische Liebesromane, viele sind eher durchschnittlich und man hat sie nach dem Lesen schnell wieder vergessen- aber es gibt darunter eben auch einige Perlen, die besonders sind und hervorstechen aus der breiten Masse. „Die Wahrheit deiner Worte“ gehört für mich definitiv dazu.
Obwohl der Roman mit seinen über 500 Seiten alles andere als dünn ist, gelingt der Autorin das Kunststück, den Spannungsbogen konstant aufrecht zu erhalten. Dazu ist die historische Atmosphäre spürbar und ich fand es angenehm, einmal einen Roman, der in der viktorianischen Ära angesiedelt ist, zu lesen. Natürlich erwähnt die Autorin auch diverse Strömungen, wie etwa die Begeisterung der Menschen für Seancen und Schauerromanlektüre.
Die Liebesgeschichte entwickelt sich zwar in einem gemächlichen, aber passenden Tempo und wird mehr durch Romantik und Tiefgang untermalt. Explizit beschriebene Liebesszenen sucht man hier allerdings vergebens. Wer also auf der Suche nach hocherotischer Lektüre sein sollte, greift hier zum falschen Buch.
Ich fand diesen eher klassischen Liebesroman einfach nur wunderschön und obwohl ich manche von Jaspers Geheimnissen schon früh enttarnen konnte, war ich dennoch neugierig, wie die Autorin diverse Schwierigkeiten, die sie ihrem Heldenpaar auf den Leib geschrieben hatte, auflösen würde.
Übrigens hat in diesem Band bereits die Heldin des dritten, noch nicht übersetzten Teils, hier bereits einen kleinen aber feinen und denkwürdigen Auftritt und ich bin schon sehr gespannt auf ihre Geschichte. Lady Anne ist nämlich geschlagen mit einer exzentrischen Mutter, die einen Hang für Seancen hat und einem Verehrer, der sie zur Weißglut treibt. ;-)
Hoffentlich wird auch „The Lily Of Ludgate Hill“, den Weg in die deutsche Übersetzung finden.
Kurz gefasst: Wunderbarer, besonderer Liebesroman mit viel Tiefgang und Romantik, in der viktorianischen Ära spielend.
Belles of London Reihe:
1. Teil: Die Nähe die uns trennt
2. Teil: Die Wahrheit deiner Worte
3. Teil: The Lily Of Ludgate Hill (noch nicht übersetzt)