Zum allerersten Mal habe ich von „In case we trust“ in der Instagramstory von Merit Niemeitz gehört. Da ich ihre Bücher wirklich von ganzen Herzen liebe und ihren Empfehlungen traue, sowie die Leseprobe mochte, habe ich mich unglaublich auf „In case we trust“ gefreut – doch konnte es mich am Ende überzeugen?
Gracie möchte sich endlich von ihrem Vater und ihrer Vergangenheit lösen – sie ändert ihren Familiennamen, zieht in eine kleine WG mit ihrer besten Freundin und beginnt als Anfängerin in der gegnerischen Kanzlei Gold, Bright & Partners an. Dort arbeitet sie mit Ira zusammen, der sie konstant aus ihrer Komfortzone lockt, aber gleichzeitig schnell zu ihrem sicheren Ruhepol wird. Wäre da nicht ihr Kopf, der ständig alles überdenkt, sie verunsichert und aus den schönsten Situationen Fragezeichen werden lässt.
Der Einstieg in „In case we trust“ fiel mir unglaublich einfach. Der Schreibstil von Tess Tjadvad ist wikrlich wunderschön und malt mit fast schon poetischen Sätzen Bilder und greifbare Protagonisten vor das innere Auge. So habe ich es sehr genossen Gracie in die Räume der Kanzlei zu begleiten und einen kleinen Einblick in das Leben als junge Anwältin zu bekommen. Als jemand der komplett fachfremd ist, empfand ich das Buch wirklich extrem gut recherchiert. Als zweiten Handlungsstrang konnte man somit einen Fall verfolgen, der definitiv ein zusätzliches Spannungselement in die Geschichte gebracht hat.
Gracie ist ein stiller, ruhiger, sanfter Mensch, der sich ein bisschen wie Sonnenstrahlen auf dünnen Papierseiten anfühlt. Klingt seltsam, aber genauso war es für mich. Sie ist eine starke Person, die gerade versucht selbstständiger zu werden, für sich einzustehen, ganz laut „Nein“ zu sagen und sich immer und immer wieder für sich zu entscheiden. In vielen Momenten habe ich mich in ihrem ständigen Überdenken und irgendwie auch in ihrer Unsicherheit gesehen, in manch anderen, gerade zum Ende hin, wurde es mir fast etwas zu viel und ich hätte mir gewünscht, dass sie aufwacht, ihre eigenen Gedanken und Sorgen hinterfragt.
Ira ist irgendwie gegensätzlich und doch vom Gefühl her ähnlich. Immergrün. Wie ein warmer Sommertag auf einer Lichtung in Wald, die Natur einatmen, geerdet fühlen. Er gibt Gracie immer das Gefühl, dass sie genug ist, hört ihr zu und versucht ihr in ihrem Gedankendschungel Halt zu geben. Das heißt nicht, dass er nicht auch sein Päckchen zu tragen hat, ganz und gar nicht, er geht nur anders damit um. Sein familiärer Background hat mich berührt und nachdenklich gemacht.
Zusammen mochte ich Gracie und Ira wirklich gerne, auch wenn sie sehr ruhig, sehr gelassen waren. Das Kribbeln war da, aber es war mehr ein stilles füreinander Entscheiden, als ein leidenschaftliches ineinander Fallen. Da dies aber auch so gut zu den Beiden gepasst hat, hat mich es nicht gestört.
Je mehr Zeit seit dem Lesen des Buches vergangen ist, desto mehr habe ich nochmal über meine Meinung zu ihm nachgedacht. Während des Lesens war ich wie im Rausch, verzaubert von der Sprache und der Sanftheit der Geschichte. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass das Buch einige Längen für mich hatte und der klitzekleine Funken, welcher ein Buch zu einem Lieblingsbuch macht, für mich gefehlt hat. Dafür hätte ich wahrscheinlich noch mehr Szenen zwischen den Beiden, noch mehr Gespräche, noch mehr klare Gefühle gebraucht.
Trotzdem hat mir „In case we trust“ ausgesprochen gut gefallen: Ich mochte vorallem die Sanftheit und Verletzlichkeit der Charaktere, die wunderschöne Sprache, aber auch die äußert sympathischen und vielschichtigen Nebencharaktere, die mich wünschen lassen, dass ich die nächsten Bände sofort lesen könnte.
_FAZIT:
„In case we trust” ist ein ruhiges, sanftes Buch, welches mit seinem poetischen Schreibstil und echten, verletzlichen Protagonisten überzeugt. Es ist gut recherchiert und lässt einen zwischen den Seiten verschwinden, sodass am Ende nur ein Gefühl von Ruhe und Heimkommen bleibt.
Der letzte kleine Funken zum Lieblingsbuch hat für mich gefehlt, aber ich kann es kaum erwarten, die nächsten Bände der Reihe zu Lesen!
4,5 von 5 Sternen_