Sandra Newman

Julia

Übersetzt von

Karoline Hippe

Roman

3.80769 Sterne

(26 Bewertungen insgesamt)

"Dieser Roman ist nicht nur kongenial und sensibel gegenüber dem Original, sondern auch so geistreich geschrieben, dass Orwell sicher die größte Freude an ihm hätte" The Telegraph

Mit seinem berühmten Roman "1984" gelang George Orwell eine visionäre Dystopie über eine Welt der totalen Überwachung. Nun wird dieser Klassiker zu ganz neuem Leben erweckt - und aus der Sicht der weiblichen Hauptfigur erzählt. Die gewitzte Maschinistin Julia hat längst ihre ganz eigenen Strategien entwickelt, um in dem unmenschlichen Überwachungssystem zu überleben. Doch dann verliebt sie sich in Winston, und damit gerät alles aus den Fugen. Dieser eigentümliche Mann gibt Julia immer wieder Rätsel auf, und sollte ihre Liebe auffliegen, könnte sie das ihr Leben kosten. Allmählich verliert Julia jeglichen Halt in der ihr vertrauten Welt - und dabei gilt immer: Big Brother is watching you ...

24,00 €

inkl. MwSt.

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Produktinformationen

Verlag

Eichborn

Format

Buch (Hardcover)

Genre

Gegenwartsliteratur

Seitenanzahl

448 Seiten

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-8479-0156-3

Pressestimmen

Sandra Newman ist einmal mehr ein höchst lesenswerter Roman gelungen, der Orwells ,1984’ keineswegs schlicht nacherzählt (und sei es auch aus weiblicher Perspektive), sondern in mehrfacher Hinsicht weit über ihn hinausgeht.
literaturkritik.de

26 Meinungen zu diesem Titel

Rezensionen aus der Lesejury

4 Sterne
28.06.2024
Interessant und spannend - bleibt aber kraftlos und ohne Brisanz
“Julia” von Sandra Newman ist eine Nacherzählung zu George Orwells Klassiker “1984”. Wie die originale Vorlage entführt das Buch in eine dystopische Welt, die von den drei Supermächten Ozeanien, Eurasien und Ostasien dominiert wird. Genauer nach London, Startbahn 1 (England) in Ozeanien, das von Engsoz, der Partei des Grossen Bruders, regiert wird. Die Geschichte folgt dabei Julia, einer Maschinistin in den Mittzwanzigern, der späteren Geliebten von Winston Smith. Dies ist ihre Geschichte und ihr persönlicher Weg durch die Hölle eines totalitären Systems. So viel schon mal vorweg: Das Buch ist nichts für schwache Mägen. Ich habe “Julia” im Rahmen einer Leserunde gelesen - vielen Dank an den Eichborn Verlag und das Team von Lesejury für das Rezensionsexemplar! Orwells “1984” las ich zum ersten Mal vor etwa 15 Jahren, vor Kurzem dann erneut. Im Folgenden möchte ich die Nacherzählung einerseits als solche betrachten - also zur Vorlage in Vergleich setzen- als es auch als Einzelwerk würdigen. Der offensichtlichste Unterschied springt gleich von Beginn weg ins Auge: Die Perspektive. Newman nimmt Julias Geschichte zum Anlass, sowohl mehr in die Tiefe, als auch in die Breite zu gehen. Gleichzeitig mit Julias Vergangenheit beleuchtet “Julia” Aspekte der historischen Entwicklungen, die zum herrschenden System geführt haben. Dabei gestattet der Roman einen Blick über den Tellerrand des Mikrokosmos London, die Winston Smith den Leser:innen durch seine (örtlich) beschränkten Erfahrungen nicht geben konnte. Dazu gesellen sich weitreichende Einblicke in Julias Alltag, die eben einer jüngeren Generation von Genossinnen angehört. Und natürlich eine Frau ist. Julia wird so von dem willigen Objekt von Winstons Begierde, zu einer aktiven Protagonistin. Scheinbar geschickt, weitsichtig und clever manövriert sich Julia durch die Schlupflöcher der Parteidoktrin und glaubt sich mit ihren kleinkriminellen Vergnügungen unterhalb des Radars des Liebesministeriums und der Denkpol. Erstaunlich früh, wie ich fand, überrascht “Julia” mit unerwarteten Plottwists, ohne in der Handlung vom Original abzuweichen. Dadurch schafft es die Autorin, inhaltlich neue Akzente zu setzen und Spannung zu erzeugen, selbst wenn man den Gang der Geschehnisse bereits kennt. Es entstehen neue Einblicke in die perfide Funktionsweise des Überwachungsapparats und bekannte Randfiguren erhalten mehr Hintergrund und (teils philosophische) Tiefe. Hier wird aus der Adaption eine funktionierende und authentische Neuerzählung. Auf die Spitze treibt Newman diese Neuerzählung durch das Weiterspinnen der Geschichte über das originale Ende hinaus. Dabei erlaubt sie sich viel künstlerische Freiheit, die ich ihr einerseits zugestehen mag, die mir persönlich in der Ausführung aber wenig zusagt. Im Allgemeinen zeichnet Newman ein ähnlich düsteres und brutales Bild einer entarteten Utopie, wie Orwell dies vor fast achtzig Jahren getan hat. Sie ergänzt dieses durch Kontext und eine weibliche Perspektive. Das hilft zwar dem Verständnis und dient der Nachvollziehbarkeit gewisser Dynamiken und ist an und für sich interessant. Aber sie fügt wenig an, das mir bei der Lektüre des Originals gefehlt hat. Und ich erkenne für mich wenig Zugewinn hinsichtlich der Botschaft oder intellektueller Anregungen. Neu ist lediglich die Weiblichkeit der Perspektive - und der vielgelobte Feminismus, der in diesem Buch stecken soll. Hier sehe ich aber grosses Potenzial für Missverständnisse. Denn der Feminismus zeigt sich für mich keineswegs in den Handlungen und Motiven der Protagonistin Julia - wo ihn viele Leser:innen offenbar irgendwie zu finden/interpretieren glauben. Ich verstehe Newmans feministische Kritik jedoch viel mehr als Anprangerung der Reduzierung von Feminismus auf Sexualität und sexuelle Freiheit - dargestellt durch Julias übersexualisierte Verhaltensmotive, die von verschiedener Seite ausgenutzt und instrumentalisiert werden. Und in der männlichen Ignoranz für weibliche Alltagssorgen und Benachteiligungen. Diese Kritik ist für mich aber weder inhaltlich noch sprachlich pointiert genug dargestellt, als dass die breite Masse der Leser:innen sie als solche zu erkennen vermögen - was sich für mich sowohl in den Diskussionen als auch in diversen Rezensionen offenbart. Ganz allgemein fehlt es “Julia” in meinen Augen an Prägnanz und damit Aussagekraft - es wirkt oft ausufernd und überladen, sowohl in den Details als auch in der Handlungsstruktur. Dadurch fehlen scharfe Aussagen und schlussendlich auch ein Thema. Und obwohl es vereinzelt tiefgründige Passagen gibt, fehlt mir der philosophische und gesellschaftskritische Gehalt, den ich erwartet habe. Damit bleibt das Gefühl von brisanter Aktualität - das Orwells “1984” noch heute und immer wieder bei mir auszulösen vermag - aus. Und “Julia” bleibt für mich ohne markante Botschaft. Sprachlich ist das Buch in modernem und eben etwas ausschweifendem Erzählstil gehalten; persönlich, ungeschönt direkt, oft derb bis vulgär verfasst. Zwar handwerklich solide, bleibt es aber weit hinter Orwells stilistischer Raffinesse zurück. Man kann “Julia” sicher nicht als nette Unterhaltung bezeichnen - dafür ist es zu düster, brutal und hoffnungslos. Aber kurzweilig ist es, sogar packend - nicht zuletzt durch effekthascherische Schockelemente. Als Einzelwerk ist “Julia” als Geschichte sicher spannend, als Nacherzählung eine durchaus interessante Perspektivenerweiterung. Einen literarischen oder gesellschaftsrelevanten Mehrwert kann ich darin für mich aber nicht erkennen. Deshalb lege ich allen (potenziellen) Leser:innen die (Vorab)Lektüre von George Orwells “1984” ans Herz.
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Li-Lo

4 Sterne
28.06.2024
Julia
Kurzmeinung: In dieser Version von Orwells Dystopie steht Julia im Mittelpunkt. Heftige Geschichte mit viel Stoff zum Nachdenken. Cleveres Ende! Ich habe "1984" von Georges Orwell nicht gelesen, weder in der Schule noch an der Uni. Macht aber nichts, denn für das Verständnis des Romans von Sandra Newman sind Vorkenntnisse nicht erforderlich. Man wird schnell auf den aktuellen Stand des totalitären Staates Ozeanien gebracht. Winston Smith, auch als "Old Misery" bekannt und Hauptdarsteller in Orwells Original, findet von der ersten Seite an Erwähnung. In Newmans Version der Geschichte wird der Zettel mit den Worten "Ich liebe dich", den Julia Winston im Original zusteckt, allerdings von einer Mitbewohnerin im Wohnheim verfasst und in Julias Spind versteckt. Sie findet ihn und gibt ihn an Winston weiter, mit der Überlegung, dass man im Falle einer Entdeckung die Handschrift nicht zu ihr zurückverfolgen kann. Julia ist ausgesprochen pragmatisch und hat gelernt, in dem System zu überleben. Sie ist stets vorsichtig, treibt aber einen aktiven Schwarzhandel mit den Proleten und weiß ihre sexuelle Lust mit diversen Partnern im Verborgenen auszuleben, obwohl "Sexkrim" strengstens verboten ist. Von Winston Smith fühlt sie sich auf seltsame Weise angezogen, denn er wirft ihr zunächst eher feindselige Blicke zu. Was mich an Julia zunächst gestört hat, ist die Über-Sexualisierung ihrer Figur. Vielleicht ist dieser Umstand ja ihrer Vorgeschichte geschuldet, die in der Version Newmans durch wiederholten Missbrauch geprägt war. Vielleicht ist ihr sexueller Appetit aber auch Voraussetzung dafür, dass sie sich später so bereitwillig als Honigfalle anwerben lässt. Sie liefert nicht nur Winston ans Messer, sondern auch Ampleforth und Tom Parson (beides Figuren aus dem Original). Doch auch Julia kommt nicht ungestraft davon. Jeder, der Orwells Original gelesen hat, wird die Rattenszene kennen, bei der Winston Smith in dem geheimnisumwitterten Raum 101 gefoltert wird. Sandra Newman hat diese allerdings abgeändert, so dass es schließlich Julia ist, der man den Rattenkäfig vor die Nase setzt. Und was dann passiert, bzw. wie Julia mit der Situation umgeht, fand ich einfach grandios. Hier zeigt sich noch einmal Julias starker Überlebenswille und ihre gesammelte Lebenserfahrung, die Winston Smith komplett fehlt. Im Gegensatz zu Orwells Original endet der Roman nicht mit Winstons Erkenntnis, dass er den großen Bruder wahrlich liebt. Julia gelingt die Flucht aus Ozeanien. Das Ende fand ich von der Autorin ausgesprochen clever erdacht und - ich mag mich täuschen - die "freien Engländer" haben mich stark an die ehemaligen GIs erinnert, die einst Nazi-Deutschland befreiten. Statt Kaugummi und Nylonstrümpfen gibt es im Roman Rosen, vielleicht eine Hommage an Orwell, der in seinem Garten Rosen pflanzte. Ein Happy End also? Tja ... das muss man schon selbst herausfinden.
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Tsubame

4 Sterne
28.06.2024
Düster, beklemmend und erschütternd
„1984“ ist eines dieser Bücher, dass ich immer wieder lesen und jedes Mal etwas Neues für mich entdecken und mitnehmen könnte. Sandra Newman greift den Inhalt dieser Dystopie auf und erzählt sie aus Sicht der weiblichen Hauptfigur neu, gibt ihr einen neuen Fokus und starke weibliche Stimmen in einer männerdominierten Handlung. Zum Inhalt: Julia arbeitet als Maschinistin und ist bei den anderen Arbeiterinnen beliebt und angesehen. Julia ist sich in ihrer Rolle im System recht sicher und erlaubt sich immer wieder kleine Revolten als Akt der Rebellion. Ihre neuste Revolte ist eine Schwärmerei für den griesgrämigen Winston und obwohl Julia weiß, dass eine auffliegende sexuelle Beziehung ihr Untergang sein könnte, kann sie nciht von ihm ablassen. Doch der Große Bruder hat seine Augen überall und Julia droht alles zu verlieren und zum Spielball des Systems zu werden. Was mir gut gefallen hat ist, dass eindeutige Parallelen zum Original von Orwell erkennbar sind, bestimmte Situationen, die man seinem Werk kennt, jetzt aus Julias Sicht quasi die Ursprungshandlung ergänzen, die Autorin aber trotzdem ein eigenständiges Werk geschaffen hat, das einen anderen Fokus legt als Orwell und die Story noch weitertreibt. „Julia“ kann auch gut unabhängig von „1984“ gelesen werden. Wie im Original wird auch hier stark mit Sprache gearbeitet. Der Neusprech der Figuren ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dient aber dazu auch unterschwellig zu vermitteln, in welcher Art System sich die Figuren bewegen. Es wird viel mit extremen Emotionen gearbeitet. Vor allem Julias Lust und sexuelle Selbstbestimmung nehmen einen großen Anteil im Buch ein, an manchen Stellen mutet die Handlung fast schon vulgär an und sexuelle Handlungen haben oft den Unterton von Gewalt, Zwang oder Scham. Als Stilmittel interessant gewählt, musste ich das Buch doch öfter mal aus der Hand legen, weil ich es schon heftig fand wie andere, aber auch Julia selbst über ihren Körper verfügen. Das Buch entwickelt eine sehr dunkle Sogwirkung. So schrecklich wie ich bestimmte Szenen empfand, wollte ich doch unbedingt weiterlesen und rausfinden, wie es mit Julias Leben weitergeht. Das Buch arbeitet mit starken Bildern und regt schon auch zum Nachdenken an und besonders das Ende habe ich als netten, stilistischen Kniff empfunden. In Sachen Gesellschaftskritik steht Newmans Werk dem Original eindeutig nach, ich würde schon sagen, dass hier der Unterhaltungsaspekt, sofern man bei den aufgegriffenen Themen von Unterhaltung im klassischen Sinne reden kann, im Vordergrund steht. Das Buch soll gefühlt abstoßen und schockieren. Was für mich durchaus funktioniert hat. Wer eher zart besaitet ist, sollte von dieser Lektüre vielleicht Abstand nehmen, für mich war es aber ein nette Ergänzung zum Original, die ich unter diesem Aspekt gerne gelesen habe.
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CynthiaM94

5 Sterne
28.06.2024
Ungeschönt und direkt
Ich habe 1984 bisher nicht gelesen. Es stand immer auf meiner “muss ich noch lesen” Liste, aber irgendwie kamen doch andere Bücher dazwischen. Dann habe ich gesehen, dass ein Buch veröffentlicht wird, das die weibliche Sicht der Geschichte zeigt. Das hat mich direkt angesprochen und ich wollte es sofort lesen. Nach kurzer Recherche habe ich gesehen, dass man es auch lesen kann, ohne 1984 vorher gelesen zu haben. Schon die ersten Seiten haben mich in den Bann gezogen. Um doch einen direkten, kleinen Vergleich haben zu können, habe ich eine Leseprobe von 1984 gesucht und den Anfang parallel gelesen. Es war spannend, die Ansichten und Gedanken von beiden Protagonisten direkt miteinander vergleichen zu können. Doch dann habe ich mich auf Julia konzentriert und werde bald 1984 anhängen. Der Schreibstil ist klar, ungeschönt und sehr direkt. Es wird eine sehr explizite Sprache benutzt. Es wird nichts verschönert, umschrieben oder verniedlicht. Dinge und Vorkommnisse werden genau und direkt beschrieben. Wer sich also schnell getriggert fühlt oder gerade Themen wie eine Fehlgeburt durchlebt hat, sollte meiner Meinung nach vorerst Abstand von dem Buch nehmen. Der Roman beschreibt Themen wie Überwachung, Manipulation von Informationen, Gedankenkontrolle und den Verlust individueller Freiheiten. Einblicke in die gefährlichen Auswirkungen einer übermächtigen Regierung auf die Freiheit werden dargelegt. Es ist so aktuell, wie es zu der Zeit vermutlich nicht denkbar gewesen wäre. Ich habe es jedenfalls verschlungen und konnte es des Öfteren nicht beiseite legen. Eine klare Empfehlung. Auch, wenn man das Original eben (noch) nicht kennt.
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SleepingButterfly

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