In ‚Hani und Ishu, Fake-Dating leicht gemacht‘, geht es um die beiden bengalischen Mädchen, Ishita und Humaira (kurz, Ishu und Hani), welche in Irland auf eine Mädchenschule gehen. Das Buch beginnt mit einer Szene aus Ishus Leben, in welchem sie einen Konflikt zwischen ihrer Schwester und ihren Eltern mitbekommt, in welchem ihre Eltern sauer werden, weil Ishus Schwester, Nikhita (auch Nik genannt), die Uni abgebrochen hat, und heiraten wird. Da Nik bis jetzt immer der Liebling ihrer Eltern war, sieht sie das als Chance an, und beschließt, Schülersprecherin zu werden, um sich den Stolz ihrer Eltern zu garantieren. Kurz darauf liest man von Hanis Coming-Out ihrer Freundinnen gegenüber, welches allerdings deutlich schlechter läuft als erhofft, da sie nicht als bisexuell akzeptiert wird, sondern ihre Freundin Aisling erst meint, dass sie lesbisch sei, und dann, dass Hani dass doch gar nicht wissen könne, wenn sie noch nie ein Mädchen geküsst hätte. Daraufhin erfindet Hani aus dem Stand heraus ihre Beziehung mit Ishu, die sie angeblich geheim gehalten habe. Die beiden Mädchen schließen also am nächsten Tag einen Deal: Ishu spielt Hanis feste Freundin, um Hanis Freundinnen zu zeigen, dass Hani wirklich auch auf Mädchen steht, und Hani, welche in ihrer Schule deutlich beliebter ist als Ishu, hilft Ishu, ihren Ruf aufzubessern, damit sie eine größere Chance darauf hat, Schülersprecherin zu werden. Von einem sehr süßen ersten Date zieht sich das ganze weiter über ein Doppeldate mit Hanis Freundinnen und scheint auch erst zu funktionieren, bis mehrere Konflikte auftreten, die auch zu einem heftigem Streit zwischen den beiden führen. Das Ende hat dann die meisten, wenn auch nicht alle Konflikte gelöst, und ist wunderbar aufbereitet.
Das Thema des Buches scheint auf den ersten Blick sehr offensichtlich, ist allerdings deutlich vielfältiger als erwartet. Es fängt an mit Homophobie und vor allem Biphobie, die sich vor allem in Hanis Freundinnen äußert, genauso wie Xenophobie und Islamfeindlichkeit bei den Freundinnen, und Rassismus, welcher vor allem auch im Lehrpersonal dargestellt wird. Allerdings behandelt das Buch auch elterlichen Druck, verbunden mit elterlicher Vernachlässigung, vor allem auch in dem Kontrast zu dem anderen Mädchen. Allerdings geht es auch viel um die bengalische (und teilweise auch indische) Kultur, und man lernt einiges dazu.
Die Umsetzung davon finde ich, soweit ich das als weißes, deutsches Mädchen beurteilen kann, sehr gut gemacht. Die Themen verzweigen sich nicht miteinander, sondern sind perfekt in die Leben der beiden eingearbeitet, ohne das man das Gefühl hat, dass es unrealistisch wird. Teilweise scheinen die Probleme sehr überwältigend, aber das tun sie ja auch oft im echten Leben, weshalb das komplett plausibel ist. Man muss allerdings mit der richtigen Erwartung drangehen, durch diese Themen ist viel Ungerechtigkeit vorhanden, zu einem Ausmaß, in dem man manche Menschen gerne einmal durchschütteln würde. Wer damit nicht umgehen kann oder vielleicht sogar von solchen Dingen getriggert wird, sollte da vorher drauf achten und das Buch vielleicht eher nicht lesen.
Nun würde ich zu den Charakteren kommen, und die sind in diesem Buch wirklich sehr faszinierend.
Ich würde bei Ishu anfangen, da die, meiner Meinung nach, die interessanteste Wandlung durchmacht, die ihr, meiner Meinung nach, auch wirklich gut tun wird. Ishu ist ein sehr direkter Mensch, die nicht wirklich mit ihrer Meinung hinterm Berg hält. Sie kommt teilweise als schroff rüber, und ist eher pessimistisch gestimmt, was unter anderem dazu führt, dass sie eine ziemliche Einzelgängerin ist. Auch mag sie einfach einen Großteil ihrer Mitschülerinnen nicht, teilweise auch, wegen derer rassistischen Einstellungen. Außerdem ist Ishu enorm ehrgeizig- was auch aus den Erwartungen resultiert, welche ihre Eltern schon immer in sie und ihre Schwester hatten. Über das Buch hinweg wird Ishu etwas offener, aber vor allem schafft sie es, sich ein bisschen von den Erwartungen ihrer Eltern zu lösen, und mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten.
Als nächstes kommt Hani, und auch die legt eine spannende Wandlung hin. Sie ist ein eher ehrlicher Mensch, weshalb es ihr anfangs unglaublich schwer fällt, die Fake-Dating Sache durchzuziehen, ist es allerdings auch gewohnt, ihre Bedürfnisse nicht laut auszusprechen, um ihren Freundinnen nicht noch mehr aufzuzeigen, wie sehr sie sich von ihnen unterscheidet. Im Gegensatz zu Ishu, ist Hani Muslimin, und ihr ist ihr Glaube sehr wichtig, wodurch gegen Ende des Buches auch ein kleiner Konflikt mit ihrem Vater entsteht. Durch das Buch lernt Hani langsam, etwas mehr für sich einzustehen, und muss auch entscheiden, ob sie ebenfalls für Ishu einstehen kann.
Als nächstes kommen Hanis Freundinnen, Aisling und Deirdre. Die drei bilden seit Jahren ein Trio, Aisling und Hani kennen sich allerdings noch ein bisschen länger. Die beiden weigern sich, sich irgendwie in Hanis Situation hineinzuversetzen, und scheinen sich überhaupt nicht für Hanis Wohlbefinden zu interessieren. Man hat immer wieder Hoffnung, dass sie irgendwie doch erkennen, wie sie sich verhalten, aber gerade Aisling legt grundlegend manipulatives Verhalten an den Tag und Deirdre scheint oft so, als hätte sie keine eigene Meinung, und würde einfach nur alles tun, was Aisling ihr sagt.
Als letztes kommt mein persönlicher Lieblingscharakter: Ishus Schwester Nikhita. Man lernt sie kennen, als sie und Ishu anfangs zusammen Abendessen machen, und merkt direkt, dass die Schwestern sehr lange keine gute Beziehung zueinander hatten, was unter anderem auch daran lag, dass die beiden im permanenten Wettkampf um den Stolz ihrer Eltern standen. Doch Nik stellt sich über den Verlauf des Buches als wunderbare Schwester heraus, und sie ist ein wunderbarer Charakter, der Ishu auch bei ihrer Selbstfindung hilft.
Alles in allem fand ich das Buch echt gut gemacht. Es ist nicht unbedingt ein Gute-Laune Buch, sondern eher zum Nachdenken gedacht, aber das setzt es wirklich gut um, mit lockeren und sehr süßen Szenen zwischendrin, welche einen von den Problemen ablenken. Ich werde es garantiert weiterempfehlen, und der einzige Grund, warum ich 4,5 und nicht 5 Sterne gebe, ist wahrscheinlich meiner Erwartung verschuldet- ich hatte mit einem deutlich fröhlicherem Buch gerechnet, und war dementsprechend ein bisschen überfordert und nicht auf die teilweise schon deprimierenden Szenen vorbereitet.