INHALT
In ihrem dritten großen Westerwald-Roman nimmt Annegret Held uns mit ins späte 18. Jahrhundert, als brutale Räuberbanden die gesamte Region in Angst und Schrecken versetzten. Mitreißend, klug und höchst unterhaltsam erzählt sie von Hannes, einem aufstrebenden Möchtegern-Räuber, von seinem frommen und zunehmend verzweifelten Vater Wilhelm, von der mannstollen Magd Gertraud und von all den anderen Scholmerbachern, die dem harten Dorfleben tapfer die Stirn bieten. Großartige Heimatliteratur!
(Quelle: Eichborn-Verlag)
MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten historischen Roman „Eine Räuberballade“ hat die deutsche Autorin Annegret Held den dritten und abschließenden Band ihrer Westerwald-Trilogie vorgelegt, in dem sie nochmals ein weiteres Jahrhundert in der Geschichte zurückgeht. Im Mittelpunkt der faszinierenden, lebensprallen Geschichte steht das fiktive Dorf Scholmerbach im urtümlichen Westerwald zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Gekonnt nimmt uns die Autorin mit in eine völlig andere Welt, über der anfangs ein herrlich märchenhafter Flair liegt, und beschwört in großartigen Bilder und Szenen eine vermeintlich heimelige Dorfidylle herauf, die schon bald auch die finsteren Seiten erkennen lässt. Annegret Held lässt eine eher düstere Zeit lebendig werden, in der das dörfliche Leben hart, freudlos und äußerst entbehrungsreich war und umherziehende, brutale Räuberbanden die Bevölkerung im Westerwald das Fürchten lehrten. Und doch zeigt sie in ihrer sehr unterhaltsamen, humorvoll und mitreißend erzählten Geschichte, dass das Leben für die kleinen Leute von Scholmerbach neben Arbeit und Kirche durchaus auch viel Mitmenschlichkeit, etliche amüsante und schöne Momente bereithielt. Es ist ein wundervoller Heimat-Roman, der schon bald seinen ganz eigenen Charme entwickelt, mit interessanten historischen Details und einer spannenden Mischung aus Familiengeschichte, ein wenig Abenteuergeschichte sowie eine Geschichte über Generationskonflikt und Emanzipation.
Der Roman lebt vor allem von seinen wundervoll schrulligen, eigensinnigen und lebendigen Charakteren, die Held sehr differenziert, lebensnah und äußerst warmherzig ausgearbeitet hat. Auch wenn sie oftmals fragwürdige Entscheidungen treffen, ihr Handeln nicht immer klug und moralisch vertretbar erscheint, so haben sie doch alle ihr Herz am rechten Fleck und trotz gemischter Gefühle, muss man diese redlichen Figuren einfach gern haben. Ob nun aufmüpfige Hannes, der sich gegen seinen strengen Vater auflehnt und der dörflichen Enge als aufstrebender Möchtegern-Räuber zu entkommen versucht, sein gottesfürchtiger, verstockter Vater Wilhelm, der mit seiner verwirrten, bettlägerigen Frau und der kleinen Tochter Liesel zunehmend überfordert ist oder schließlich die junge wilde Magd Gertraud, die mit ihrer Tatkraft, ihrer Durchsetzungsfähigkeit und ihrem losen Mundwerk allen die Stirn bietet und ihr kleines Glück woanders zu finden sucht – sie alle sind in einer christlich-traditionellen Welt mit ihren rigiden Moralvorstellungen gefangen, riskieren ein Ausbrechen und lassen schließlich den elementaren, ungezähmten Grundbedürfnissen freien Lauf. Äußerst authentisch und nachvollziehbar hat die Autorin die besonderen Eigenheiten und Schwächen ihrer Romanhelden eingefangen und bringt uns sehr anschaulich ihre besondere Art zu leben und zu denken näher.
Eine große Besonderheit von Annegret Helds Schreibstil sind die mundartlichen Dialoge. Sie lässt ihre Romanhelden nämlich durchgängig in ihrem Westerwälder Platt reden, einer aussterbenden Sprache mit ihrem ganz eigenen Humor und Charme. Hierdurch erhält die großartige Geschichte zusätzlich eine unverwechselbare Lebendigkeit, Eindringlichkeit und Authentizität.
FAZIT
Ein gelungener Abschluss der historischen Westerwald-Trilogie – eine unterhaltsame, lebenspralle und mitreißend erzählte Geschichte mit viel Humor, echtem Westerwälder Platt und herrlich schrägen Charakteren! Ein lesenswerter Heimatroman!