Die Influencer-Reihe von Anabelle Stehl, die in London spielt, geht mit „Worlds Apart“ in die zweite Runde und handelt diesmal von Kaycee, die wir schon kennengelernt haben und die nun ihre große Chance erhält. Ich habe mich sehr auf diesen Band gefreut, weil Kaycee bereits in „Worlds Collide“ einen sehr sympathischen Eindruck gemacht hat und ihre Geschichte dort schon unweigerlich berührt hat. Den Mann an ihrer Seite, Leo, lernen wir ganz neu kennen und er ist Schauspieler. Hier habe ich kurz gestutzt, weil dieser Gegensatz zwischen reichem Star und armem Mädchen von dem Lande doch etwas klischeebesessen ist, aber das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet, denn so schonungslos wie der erste Band mit Social Media aufräumte, so gibt es hier einen Blick ins Schauspielgeschäft und generell hinter die Film- und TV-Kulissen.
Ich fand es wirklich respektabel, wie hier dieses öffentliche Geschäft angegangen wurde. Auch wenn Kaycee durch ihre beste Fiona sicherlich viel mitbekommen hat, so verstehe ich, dass sie ihre Liebe für fiktiven Welten oder auch für ihre liebste Backshow immer beibehalten hat, denn ihr Leben ist schon hart genug und sie braucht diese Flucht in etwas anderes, was hoffnungsvoller ist. Als Kaycee aber einmal in der Wettbewerbsshow drin ist, werden nach und nach die einzelnen Schichten abgemacht und verdeutlicht, dass bei solchen Shows nicht der oder die beste gewinnt, sondern eben der oder die mit der besten Geschichte. Das will man oft nicht wahrhaben, weil so vieles 'echt' wirkt, aber so es ist im realen Leben eben. Es war auch gut dargestellt, dass Kaycee das lange wegschieben konnte, weil sie mit dem Gewinn der Show ihren großen Traum verbunden sah, aber letztlich ist sie genau an dem richtigen Punkt für sich eingestanden, denn das Geheimnis ist, in diesem Zirkus sich selbst treu zu bleiben und sich selbst nicht zu verkaufen. Auch wenn Kaycee zwischendurch ganz schön verzweifelt war, man hat immer gemerkt, was für ein Mensch sie ist und sie bleibt sich immer treu.
Mit Leo schauen wir hinter das TV-Geschäft. Ich habe gut nachvollziehen können, warum Stehl auch hier hinter die Kulissen blickt, denn seit vor und hinter der Kamera die Menschen endlich für sich einstehen können, ohne zwangsweise um ihren Job fürchten zu müssen, werden immer mehr schreckliche Geschichten publik. Dementsprechend war es clever, dass als Ausgangslage für Leos Geschichte zu nehmen. Dennoch war es klischeehaft dargestellt, denn gerade diese Sichtweise, dass Paare vor der Kamera auch im echten Leben das Traumpaar spielen müssen, damit es für das Publikum funktioniert, das war einmal. Hier waren so ein paar Elemente gewählt, die ich eher unglücklich fand, während die Reichweite der möglichen Manipulation durch Autoren, Regisseure oder Produzenten wieder deutlich besser war, weil es das im Kern trifft. Aber auch für Leo fand ich es mutig, dass er in einer vermeintlichen Traumwelt nicht glücklich ist, weil es ihm nicht entspricht. Auch allgemein waren die Parallelen zwischen Kaycee und ihm gut. Sie kommen beide aus glücklichen Familien, sie haben beide Prinzipien und sie sind ehrlich zueinander. Das hat in der Struktur wirklich gut funktioniert.
Da es nun schon das fünfte Buch von Stehl ist, was ich lese, lässt sich inzwischen auch eine deutliche Stilistik bei ihren Büchern erkennen. Sie erzählt zwar auch Liebesgeschichten, aber ich empfinde das nie als eigentlichen Kern der Geschichte. Das hat dann zur Folge, dass die Beziehungsentwicklungen für mich selten von krassen Funken oder unwiderstehlicher Chemie begleitet sind. Das ist auch bei Kaycee und Leo wieder zu beobachten. Es wird eine Art Liebe auf den ersten Blick erzählt, doch eben das Besondere, das kommt nicht rüber. Dennoch sollten meine Worte jetzt nicht zu kritisch gewertet werden, denn ich habe bislang jedes Buch sehr gerne gelesen und das eben weil Stehl auch Liebesgeschichten erzählt, die vielleicht eher nüchtern sind, dafür aber immer echt. Auch die Art und Weise, wie das Paar am Ende noch einmal auseinandergetrieben wird, ich empfinde es nie als übertriebenes Drama, sondern als wichtiger Schritt auf einer großen Reise zum eigenen Ich und das wiederum passt dann hervorragend zu den Geschichten, die die Autorin drum herum spinnt. Denn diese sind immer kritisch, emotional und tiefsinnig. Übertriebenes Drama würde hier hinten und vorne nicht passen. Damit hat Stehl eine ganze eigene Mischung, aber eine, die man sich im NA-Genre nicht entgehen lassen sollte.
Fazit: Ich fand das Setting von „Worlds Apart“ mit dem TV-Geschäft sehr interessant, auch weil es den aktuellen Zeitgeist trifft. Auch wenn kleinere Klischees mitgenommen wurden, an den entscheidenden Stellen war es genau realistisch-kritisch, wie ich es als Zuschauerin auch empfinde. Dazu zwei sympathische Figuren, die sich in diesen künstlichen Welten nicht wohl fühlen und daher ihren Weg für sich suchen müssen. Wie immer eine sehr erwachsene Erzählung, die wirklich gut erzählt ist.