Freut man sich im Voraus im Sinne des Titels auf ein Ernährungskonzept das einen gesund und dauerhaft abnehmen lässt, so bleibt man nach der Lektüre demütig zurück, da einem klar wird, dass man das geforderte Konzept niemals ein Leben lang durchhalten wird.
Das Buch "How not to diet" von Dr. Michael Greger erschien Ende April 2020 im Bastei Lübbe Verlag. Greger ist ein in Amerika praktizierender Ernährungswissenschaftler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat ohne kommerziellen Hintergrund der breiten Masse den Nachteil industrieller Ernährung zu vermitteln und Ihnen so die Möglichkeit zu geben, bewusst selbst zu entscheiden inwieweit sie sich im wahrsten Sinne des Wortes krank isst.
Über Amerikas Grenzen hinweg bekannt geworden ist Dr. Greger mit seinem Bestseller "How not to die", in dem er den Einfluss von falscher Ernährung auf die Gesundheit und die Lebenserwartung bereits detailliert schildert. "How not to diet" besticht erneut durch seinen großen Umfang. Das Werk liegt schwer in der Hand und lässt bereits vor der Lektüre umfassende Informationen vermuten.
Der Titel "How not to diet" trifft den Inhalt des Buches nicht so ganz. Das Buch ist in fünf Abschnitte geteilt, von denen sich der erste mit den Gewichtsproblemen breiter Bevölkerungsgruppen auseinandersetzt und klassische kommerzielle Diätkonzepte, medikamentöse Versuche und operative Eingriffe erläutert, die bisher verzweifelte Übergewichtige wohl mehr Geld und Gesundheit gekostet haben, anstatt dauerhaft erfolgreich zu sein.
In Abschnitt 2 steigt der Verfasser bereits ein in die Thematik und erklärt die positiven Effekte vollwertiger, pflanzenbasierter und unbearbeiteter Kost. Er geht dabei stark ins Detail und zieht jede Menge Studien zur Erläuterung hinzu. Diese Vorgehensweise zieht sich durch das gesamte Buch. In sehr ermüdendender Art und Weise. Schon im zweiten Abschnitt wird klar: dieses Buch liest sich nicht mal eben weg. An manchen Stellen taucht man tiefer in die Materie ein, als man vielleicht gewillt ist. Die zahlreich angeführten Studien wiederholen sich im Kern häufig, manchmal entdeckt man im Laufe des Buches Widersprüche, die den Leser nach der Lektüre etwas verwirrt zurück lassen.
In Abschnitt 3 gibt Greger eine erneute Zusammenfassung von Abschnitt 2 und zieht ein Fazit aus den in Abschnitt 3 erlernten Grundlagen.
So genannte Abnehmbooster werden in Abschnitt 4 versprochen. Und da gibt es schon das eine oder andere Kapitel, das anhand der drastisch beschriebenen Maßnahmen enttäuscht. Spätestens hier wird dem Leser klar, dass die versprochene Alternative zu Diäten, eben kein unbedingt leicht durchzuführendes Ernährungskonzept ist, sondern doch ein stark einschränkendes Lebensmodell, in dem sich tagtäglich die gesamte Tagesplanung auf die Ernährung, das Körpergewicht und den Kalorienverbrauch konzentriert. Manche Vorschläge sind sogar mit gesundheitlichen Warnungen versehen und erfordern zuvorige, ärztliche Abklärung.
In Abschnitt 5 werden die Ratschläge aus Abschnitt 4 und die Abnehmbooster aus Abschnitt 5 in eine 21 stellige Checkliste übertragen, die dem Leser die Umsetzung vereinfachen soll.
Ich habe mich im Vorfeld auf das Buch gefreut und mir viel davon versprochen. Leider wurde ich in mehrfacher Hinsicht enttäuscht, auch wenn ich dem Buch auch viele Aspekte zu Gute halten muss.
Direkt zu Beginn des zweiten Abschnitts habe ich viel gelernt, auch viel über meine eigenen Ernährungsfehler. Das Buch hat mich stark motiviert, etwas an meiner Ernährung zu ändern und ich habe bereits während der Lektüre viel umgestellt und damit auch schon abgenommen. Ich habe meinen Fleischkonsum auf ein Minimum reduziert, was nicht nur meiner Gesundheit gut tut. Aber: das vorgeschlagene Ernährungskonzept soll schließlich keine Diät sein. Jedoch gestaltet es sich im Alltag sehr schwer. Einladungen von Freunden zu folgen könnte sich in vielen Fällen als denkbar schwierig erweisen. Kindern eine Ernährung zu vermitteln, die sie auch in Kita oder Schule umsetzen können erscheint mir unmöglich. Auch Geschäftsessen oder Geschäftsreisen werden nicht so einfach mit diesem Konzept zu bewältigen sein. In vielen Bereichen muss man sich derart kasteien, dass man in absehbarer Zeit doch einknicken wird. Biologische Umkehrschlüsse, die Greger in Eigenregie zieht, sind nicht endgültig durchdacht. An manchen Stellen widerspricht er sich. Und zu guter Letzt ermutigt er zu gesundheitlich fragwürdigen Methoden (bei 6 % Neigung mit den Füßen bergauf schlafen) und kalorischen Richtwerten (1200 kcal Tagesbedarf für Frauen und 1500 kcal für Männer), die weder gesundheitlich vertretbar sind, noch von dem Konzept einer Diät im klassischen Sinne abweichen. Das bedeutet abschließend: Thema verfehlt.
Nichtsdestotrotz lernt man sehr viel über die Abläufe im Körper, von der guten Wirkung der richtigen Lebensmittel auf Stoffwechsel, Mikrobiom, Gesundheit und Organe, und eben von der schlechten Wirkweise industriell verarbeiteter Lebensmittel. Auch die Arbeitsweise der Lebensmittelindustrie und die enge Zusammenarbeit mit Laboren zu Werbezwecken sind sehr aufschlussreich.
Ich kann das Buch Lesern empfehlen, die sich gerne intensiv mit ihrer Ernährung beschäftigen, den Fokus auf möglichst unverarbeitete pflanzliche Kost legen und sich mit der Wirkweise verschiedener Lebensmittel auf den Organismus beschäftigen möchten. Menschen die auf der Suche nach einem dauerhaften Abnehmkonzept ohne drastische Maßnahmen oder zu viele starke Einschränkungen sind, möchte ich im Vorfeld die Illusion nehmen mit Dr. Gregers "How not to diet" fündig zu werden.