Im weihnachtlichen Wümmerscheid-Sollensbach ist eine Menge los. Peter und Sophie, Eigentümer des kleinen Cafés an der Mühle, haben nicht nur mit einer Erweiterung des Cafés, sondern auch mit dem zweijährigen Wirbelwind Lisa alle Hände voll zu tun - trotzdem ist Peter immer wieder abwesend, was Sophie ernsthafte Sorgen bereitet. Auch die zahlreichen anderen Charaktere des illustren Eiffelstädtchens haben alle mit ihren Problemchen zu kämpfen - allen voran mit einem Besuch einer Delegation der englischen Partnerstadt.
Vorneweg: Nein, ich gehöre mit Mitte 20 definitiv nicht zur Zielgruppe dieses Buches, ich kann mich auch nicht als regelmäßiger Leser dieses Genres bezeichnen. Doch gerade in der Weihnachtszeit bin ich doch recht offen für ein bisschen Kitsch und etwas übertriebene Heimatromantik - und das kann man auch gut hinbekommen, aber dieses Buch tut es einfach nicht.
Zweiter Punkt: Ich habe keine anderen Bände dieser Reihe gelesen. Ich konnte inhaltlich eigentlich problemlos folgen, nur kann es natürlich sein, dass ich gewisse Dynamiken zwischen Figuren nicht ganz richtig verstanden habe, aus denen vielleicht manche folgende Kritik entstanden ist.
Natürlich gibt es hier eine Menge genrebedingte Eigenheiten, über die man sich hier lustig machen und die man kritisieren könnte: Alle Figuren haben absurd deutsche Namen und sind wahrscheinlich genau so weiß, wie der Schnee, der in den passendsten Momenten immer wieder fällt (Ausnahme: Zwei schwarze Randcharaktere, über die aber auch recht seltsam geschrieben wird) - etwas anderes als heterosexuell ist hier natürlich auch keiner; Irgendwie entsteht nie ein wirklicher Konflikt, selbst als gegen Ende etwas scheinbar Schlimmes passiert, sind die Folgen nach wenigen Kapiteln auch wieder erledigt; Gefühlt das halbe Dorf hat sich mit einer pfiffigen Idee selbst verwirklicht und hat jetzt eine erfolgreiche selbstständige Tätigkeit; Alles ist einfach heile Welt, alle verstehen sich gut und es kommt nie zu wirklich ideologischen Reibungen. All das ist für mich beim Lesen eines solchen Buches vielleicht etwas belächelnswert, aber vollkommen okay und irgendwie erwartet man das ja auch und greift vielleicht auch deshalb zur Lektüre. Selbst die Tatsache, dass Wümmerscheid-Sollensbach scheinbar in den 80ern stehen geblieben ist (Google ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Fremdwort; dass jemand fließend Englisch kann, wird als total verrückt abgetan), hat mich gar nicht so wirklich gestört - bis auf eine Tatsache und das hat das Buch für mich echt kaputt gemacht.
Ich verstehe einfach nicht, warum man 2022 noch solche altbackene Geschlechterrollen schreibt. Am besten wird das deutlich an der Beziehung von Peter und Sophie. Sophie betreibt nicht nur das Café in der Mühle, sondern übernimmt so ziemlich die gesamte Care-Arbeit und den Großteil der Erziehung der kleinen Tochter (etwas anderes wird uns jedenfalls nicht vermittelt). Es gibt mehrere Szenen, in denen Sophie überfordert wirkt, aber die Idee, dass ihr Gatte mal etwas mehr Arbeit übernehmen könnte, wird nie geäußert. Der hat dafür genug Zeit, im Geheimen einen Tanzkurs zu machen. Ja, das soll als Überraschung für Sophie dienen, aber ich dachte mir die ganze Zeit, dass er seine Zeit lieber mit deiner Familie verbringen sollte. Was für den Außenstehenden eindeutig so wirkt, als würde Peter Sophie betrügen, nimmt Sophie erst so spät als solches war und nachdem sie Peter damit konfrontiert, nimmt sie ihm ziemlich schnell eine recht dämliche Ausrede ab. Es scheint außerdem vollkommen normal, dass alle Frauen in Sophies Alter vormittags Zeit haben zum Frisör zu gehen. Die zweijährige Lisa ist oft dabei, wenn ihre Mutter arbeitet, dafür erleben wir aber selten, dass Peter mit der Kleinen mal allein ist. Mein negativer Höhepunkt war die Zusammenkunft des zu diesem Zeitpunkt rein männlichen Dorfvereins, in dem diskutiert wurde, wie man die englischen Gäste bespaßen könnte. Die Männer kommen zu der Erkenntnis, dass sie aufgrund ihres Geschlechts nicht wissen, wie sie mit Gästen umgehen sollten. Daraufhin rufen sie ihre Ehefrauen an, die anschließend vorbeikommen - nachdem sie sich natürlich um die besagten Gäste gekümmert und denen das Essen gekocht haben - und ihre zahlreichen Ideen unterbreiten, u.a. Plätzchenbacken. An dieser Stelle war ich kurz davor, das Buch abzubrechen. Ach ja, an einer Stelle gibt es eine weibliche Handwerkerin - aber keine Angst, sie unterhält sich nach getaner Arbeit mit Sophie über Plätzchenrezepte.
Einziger Lichtblick (und der Grund, dass das Buch zwei Sterne bekommt), war die absolut hinreißende zweijährige Lisa (Welches zweijährige Kind heißt 2022 Lisa?), die immer für eine große Portion Humor und Niedlichkeit gesorgt hat. Mit süßen Kleinkindern kriegt man mich immer.
Vielleicht bin ich zu jung, vielleicht bin ich zu woke, aber das Buch war leider so gar nichts für mich. Ich hatte mich eingestellt auf schönen, leichten Weihnachtskitsch, aber ich finde, das kann man auch ohne angestaubte Geschlechterrollen gut schaffen. Wirklich schade, gerade am Anfang war ich noch voll offen für die Geschichte. Die sonst positiven Bewertungen dieses Buchs scheinen ja jedoch zu zeigen, dass die Zielgruppe hier wahrscheinlich bedient wird, daher will ich hier auch nicht komplett abraten.
Rant over.