„Drachenbanner“ ist der siebte Band der Waringham-Saga von Rebecca Gablé. Er erschien im September 2022 und kann unabhängig von den anderen Teilen gelesen werden.
Adela und Bedric wachsen miteinander auf, obwohl ihre Welten nicht unterschiedlicher sein könnten. Adela, als Mitglied der Familie of Waringham gehört zum Adel, während Bedric lediglich Leibeigener im Dorf ist. Als Adela als Hofdame fortgeschickt wird, werden die beiden getrennt. Bedric hält die Situation nur aus, weil er ein Ziel hat – er will frei sein – und muss schließlich vor der Willkür von Adelas Bruder fliehen … Die Wirren der Zeit fordern ihren Tribut, Missernten bringen Seuchen und Hunger sowie politische Fehden und Krieg. Im Haushalt von Simon de Montfort begegnen Adela und Bedric sich schließlich wieder, denn Erinnerungen bleiben …
Ja, was soll ich sagen … Lesen, einfach lesen! Auch Rebecca Gablés siebter Band der Waringham-Saga hat mich trotz stolzen 912 Buchseiten sofort in seinen Bann gezogen und nicht wieder losgelassen.
Schreibstil und Handlungsverlauf sind einfach einmalig, mitreißend und spannend. Natürlich sind die Namen und die Zugehörigkeiten der Personen manchmal kompliziert – typisch in historischen Romanen, in denen eben jeder nach Vater oder Pate benannt wird – die wichtigsten Figuren kann man aber gut auseinanderhalten und wiedererkennen.
Ich habe mich sehr schnell in den Roman fallen lassen können und gebannt die Geschichte von Bedric und Adela sowie Simon de Montfort verfolgt. Die Verschmelzung von Realität und Fiktion gelingt der Autorin mühelos, die realen Begebenheiten werden durch das Nachwort hervorragend mit weiteren Hintergründen und Erklärungen vervollständigt.
Wie so oft bei historischen Romanen denke ich, dass man sich nur schwer vorstellen kann, wie die Menschen damals wirklich gelebt haben. Wie es sich angefühlt haben muss, jemandem zu gehören, im Grunde keine komplett eigenständigen Entscheidungen treffen darf und einen Großteil seines Einkommens und seiner Zeit abgeben zu müssen. Aber auch, wie man gezwungen ist, innerhalb seines Standes zu heiraten und sich so den Erwartungen der Gesellschaft zu beugen …
Während Bedric als Höriger das eine Bild widerspiegelt, lebt Adela in einer völlig anderen Welt. Und dennoch ist keiner von ihnen frei. Beide wünschen sich etwas anderes, als den für sie vorgezeichneten Weg und versuchen dennoch, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Sie sind Figuren, die man gernhaben muss. Bedric bewundere ich für seine Stärke und seinen Mut, aber auch für den Einfallsreichtum, den er an den Tag legt. Adela ist trotz ihres hohen Gesellschaftsstatus „normal“ geblieben. Sie benimmt sich gegenüber Menschen von niedrigeren Ständen nicht überheblich, sondern stets freundlich. Sie flucht und liebt die Natur mehr als „weibliche“ Beschäftigungen wie Sticken, ist klug und handelt stets mit einem kühlen Kopf und viel Weitsinn. Auch die realen Personen Simon de Montfort und Eleanor Plantagenet haben mich tief beeindruckt und ich bin froh, dass ich mehr über sie erfahren durfte!
Rebecca Gablé fasziniert einmal mehr mit ihrem Roman, ihren authentischen Figuren und dem historischen Kontext! Beeindruckend fand ich zudem die Verknüpfung von Buchtitel und Inhalt! Wisst ihr, was ein Drachenbanner bedeutet? Nein? Dann lest den Roman.
Mein einziger Kritikpunkt und was ich der Autorin ein ganz klein wenig übel nehme, ist der Umgang mit dem Protagonisten aus dem Vorgängerband. - Yvain. Nachdem man im Vorgängerband Yvain praktisch sein ganzes Leben lang durch Höhen und Tiefen begleitet hat, und er auch in Drachenbanner noch hier und dort in seiner Rolle als Großvater auftaucht, wird sein Tod in Drachenbanner extrem lieblos abgefrühstückt. Man erfährt nur in ein paar sehr nebensächlich daherkommenden Sätzen, dass er gestorben ist. Das war es! Keine Beerdigung! Nichts! Weder dem Leser, noch Adela und ihren Brüdern wird die Chance gegeben von Yvain, welcher der Großvater von Adela und ihren Brüdern ist, Abschied zu nehmen. Und dabei ist Yvain immerhin der Protagonist aus dem letzten Buch.
Mag sein, dass es vielleicht der Zeit, in der die Geschichte spielt und den Umständen in der Geschichte selbst geschuldet ist, aber, ich persönlich, als Leserin, die Yvain bereits im Vorgängerband mochte, hätte mich sehr über eine würdevolle Beerdigungsszene gefreut.
Der Roman ist unabhängig von den anderen Bänden der Reihe lesbar, obwohl man natürlich immer wieder Verbindungen finden kann!