Anne Pätzold hat mich in den vergangenen Jahren sehr damit überrascht, dass ich ihrer LOVE NXT-Reihe verfallen bin, denn bis dato hatte ich keinerlei Bezug zu K-Pop, aber ihr ist es gelungen, mich in diese Welt einzuführen und dabei vor allem mit ihrem Schreibstil zu überzeugen, da dieser sich einfach wie auf Wolken schwebend anfühlt. Insgesamt ist Pätzold aber sicherlich eine Ausnahme im Lyx-Programm, da man bei ihr eher ruhige und süße Liebesgeschichten präsentiert bekommt, aber genau das hat mich in ihrer Stilistik völlig überzeugt. Deswegen war für mich völlig klar, ihre nächste Reihe zu lesen, die sich rund um das Eiskunstlaufen dreht. Da ich mich völlig in die Netflix-Serie „Spinning Out“ verliebt habe, die dann aber doch nicht über eine Staffel hinausgekommen ist, habe ich vor allem gehofft, diese Welt in der neuen Reihe wiederzuentdecken.
„Right Here“ ist definitiv als Buch von Pätzold zu erkennen, auch wenn wir uns in einem gänzlich anderen Setting sowie thematischem Inhalt wiederfinden, aber eben dieser Schreibstil, wo jedes Wort sitzt, den würde ich überall wiedererkennen. Bei LOVE NXT wurde die Geschichte von Ella und Jae-yong über drei Bände erzählt, was sich tatsächlich im dritten Band dann doch etwas ausgeleiert hat, aber hier hat sich Pätzold entschieden, in zwei Bänden von unterschiedlichen Paarungen zu erzählen. Daher erledigt sich der Vorwurf des langatmigen Erzählens relativ schnell, auch wenn ich sagen muss, dass „Right Here“ dennoch eine sehr ruhige Geschichte ist. Es ist eben keine Erzählung, bei der ständig etwas Neues passiert, sondern wo es vor allem um das persönliche Wachsen von Hauptfigur Lucy geht. Was sicherlich auch zu der fehlenden Ereignishaftigkeit beiträgt, ist die Tatsache, dass Pätzold auch weiterhin nur die weibliche Perspektive anbietet. In diesem Stil ist der NA überwiegend gestartet, aber inzwischen muss ich wirklich sagen, dass ich die männliche Perspektive brauche, um wirklich ein umfassendes Bild zu gewinnen. Tatsächlich hat mich das bei LOVE NXT aber nicht so sehr gestört, weil ich es dort genau richtig gewählt fand, gemeinsam mit Ella die Welt des K-Pops zu entdecken. Hier aber sind Lucy und Jules als ihr Gegenpart definitiv auf einer Ebene und Jules war ein so wunderbarer Kerl, dass ich auch wirklich gerne mehr von ihm mitbekommen hätte, denn er hatte genauso etwas zu erzählen, wie das bei Lucy der Fall war.
Bei Jules, seiner Mutter, die einfach abgehauen ist, der alkoholkranke Vater sowie die Verantwortung für den jüngeren Bruder, all das waren Aspekte, die ich extrem spannend fand und die ich gerne mal durch seine Gedanken erkundet hätte. Es heißt keinesfalls, dass Lucys Perspektive nicht ausreicht, aber manchmal begegnet man einfach männlichen Protagonisten, die viel zu sagen haben und denen man das dementsprechend auch gerne ermöglichen würde. Aber zurück zu Lucy. Ich fand sie definitiv sehr sympathisch, was natürlich vor allem daran liegt, dass Pätzold mit ihrer Art des Schreibens einen Zugang ermöglicht, der schnell den Eindruck erweckt, man sei selbst Lucy. Aber auch ohne diese Illusion, selbst Lucy zu sein, habe ich sehr, sehr viel in ihr von mir wiedererkannt, weswegen mich auch diese Kämpfe gegen sich selbst sehr berührt haben. Dementsprechend kann ich sagen, das ist alles echt, was sie durchlebt und deswegen war ich am Ende stolz, dass sie auf ihre Weise einen Weg in die richtige Richtung gefunden hat. Es ist kein Happy End am Ende, aber es ist die Gewissheit, dass man Lucy guten Gewissens wieder sich selbst überlassen kann.
Dennoch haben mich zwei Punkte irritiert und das war zunächst mal die Darstellung des Eiskunstlaufens. Ich hatte im Vorfeld wirklich gedacht, dass dieser Sport im positiven Sinne Lucys Lebenspunkt ist, was aber gar nicht so war. Das finde ich in der Sache auch gar nicht falsch, weil mehr als nachvollziehbar deutlich wurde, dass Eiskunstlaufen zu sehr Pflicht als wirkliche Freude geworden war. Aber dementsprechend ist die Thematik nach und nach mehr fallen gelassen worden und das war irgendwie dann doch schade. Vielleicht wird das im zweiten Band wieder anders. Der zweite Aspekt war die Darstellung der Eltern. Oft haben wir grässliche Elternfiguren, bei denen man wirklich merkt, dass sie gar nicht wissen, was Elternschaft genau bedeutet. Aber ich glaube nicht, dass das bei Lucys Eltern der Fall war. Das wiederum hat einige Konflikte etwas merkwürdig erscheinen lassen. Gerade bei der Mutter hat man doch deutlich gemerkt, dass sie um ihr Kind sehr besorgt war, weswegen es mir nicht in den Kopf wollte, dass sie das Wohlergehen und die Entfremdung völlig aus den Augen verloren bzw. nicht bemerkt hat. Die Liebesgeschichte mit Jules trifft es mit ‚süß‘ wirklich am besten. Es war sicherlich keine Bäm-Liebesgeschichte, aber es ging eben nicht um Liebe alleine, weswegen das Verhältnis für mich stimmig war.
Fazit: „Right Here“ passt wieder einwandfrei zu Anne Pätzold und hat mir schöne Lesestunden beschert. Zwar hätte ich mir die Einbindung von Eiskunstlauf etwas anders vorgestellt und auch die Elternbeziehung war seltsam, aber Lucy war eine tolle Protagonisten, die ich gut in jeder Sekunde nachvollziehen konnte. Schade nur, dass wir nicht auch Jules‘ Perspektive bekommen haben.